was am ende übrig bleibt

oder die ehefrau von meg wolitzer

kapitel 5


meine zweite buchrezension handelt von einem buch, das ich frisch dieses jahr gelesen habe und das mich nachhaltig beeindruckt hat.


eine rezension über dieses buch trägt den titel "bissige abrechnung mit männlicher egozentrik". meiner meinung nach eine fehleinschätzung. es ist nicht bissig, sondern sehr bedacht. es ist keine abrechnung, sondern viel mehr ein persönlicher tatsachenbericht. meg wolitzer schreibt ein feinfühliges buch über ehe, vertrauen, geheimnisse und ein ganzes leben.
joan und joe castleman sind zu beginn des buches bereits viele viele jahre verheiratet. beide sind bereits über sechzig und joan blickt im laufe der handlung zurück auf ihre geschichte, die sich früh zu ihrer beider geschichte verschlungen hat. ebenfalls gleich zu beginn stellt joan klar, dass sie sich von joe scheiden lassen will. die beiden sind im flugzeug auf dem weg nach finnland, wo joe der eherenhafte helsinki-preis verliehen werden soll, der kleine bruder des nobelpreises.
die ganze handlung wird von joan erzählt. sie wechselt zwischen gegenwart und vergangenheit hin und her. es wirkt beinahe wahllos. sie berichtet von ihrem kennenlernen mit joe, von ihren gemeinsamen freunden und kindern, von joes ex-frau, von joes unzähligen seitensprüngen. wobei sich geschichten zum teil nie vervollständigen und manchmal erst einige seiten weiter.
es werden viele vergleiche gezogen, die auf den ersten blick nicht zu passen scheinen, die aber genau das gefühl vermitteln, dass joan erklären zu sucht. sie betrachtet emotion wie aus distanz und wirkt dabei beinahe verbittert. wirklich bemerkenswert ist, dass sie kein schlechtes wort über ihren ehemann verliert, sondern über seine schwächen und stärken berichtet, weil sie ihn besser kennt als er sich selbst.

das ende lässt einen unbefriedigt zurück, die auflösung scheint zu naheliegend. das ende ist wie joans und joes ehe. trostlos und schrammt an der wahrheit vorbei, die sich, eingebettet in joans gedanken, versteckt. joan ist ein aufrichtiger mensch. auch wenn keine liebe für joe übrig ist, so hat sie ihn geliebt.

meg wolitzer schreibt nicht nur von joan, sondern von ehefrauen, die alles geben und ihren ehemännern, die gedankenlos, aber nicht bösartig, alles nehmen. sie beschreibt schemata, die sich ständig wiederholen, weil man verpasst auszusteigen. schicksale werden angekratzt und man kann nur abschätzen, wieviel ein mensch ertragen kann.
ich empfand das buch durchaus als feministisch.aber zugleich auch sehr traurig. joan ist ein wahnsinnig kluger mensch. man hat das gefühl, als würde sie all ihr potential verschenken, auch wenn man zum ende hin die wahrheit kennenlernt. die geschichte fühlt sich wahr an, weil sie so nah am leben gebaut ist, aber zugleich ist sie schrecklich trostlos. denn die erleichterung kommt nicht. nicht einmal am ende, weil jedes ende ein neuer anfang ist.

in jedem fall ist das buch eine große empfehlung. es lässt sich leicht lesen, auch wenn es kurzweise schwer im magen liegt. meg wolitzer kann toll mit worten umgehen, die eine athmosphäre aufbauen, die sie auch über das buch hinweg halten kann.

over and out -

anmerkung: das buch wurde auch verfilmt mit dem titel die frau des nobelpreisträgers. mit glenn close als joan und jonathan pryce als joe.

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